Kennst du das: Es ist Mitte Januar, du scrollst durch Social Media und siehst sie überall: die Posts, dass mit dem Vorziehen der Gemüsepflanzen begonnen wurde und der provokanten Frage, was du denn jetzt schon vorziehst.

Als Gartenanfänger wird da aus deiner ursprünglichen Frage wann du am besten welches Gemüse vorziehen sollst schnell die Angst jetzt schon spät dran zu sein.

Aus Sorge, dass das jetzt schon fast nicht mehr werden kann mit dem Traum vom eigenen Gemüse aus dem Garten, willst du also auch schnell loslegen.

Schnell die Saatguttütchen geschnappt, die du schon besorgt hast und los gehts. Aber wie eigentlich?

Im Folgenden möchte ich dir einen Überblick darüber geben, warum es sinnvoll ist, Pflanzen vorzuziehen, welche Pflanzen du vorziehen solltest (und welche nicht) und was du für die Anzucht benötigst. Außerdem zeige ich dir, welche häufigen Fehler du besser nicht machst, um kräftige und gesunde Gemüsepflanzen zu bekommen.

Was bedeutet Anzucht?

Fangen wir bei den Basics an: Was bedeutet überhaupt “Pflanzen vorziehen” oder “Anzucht”?

Du kannst das Saatgut direkt an Ort und Stelle ausbringen, wo er später wachsen soll. Das nennt sich dann Direktsaat.

Wenn du zuerst in Töpfchen oder ähnliches säst, die Pflanzen im (Gewächs-) Haus groß ziehst und erst später dahin pflanzt, wo sie schlussendlich wachsen sollen, spricht man von “vorziehen”, “anziehen”, “Anzucht”.

Warum Gemüsepflanzen vorziehen?

Vielleicht fragst du dich jetzt, warum die Anzucht von Gemüsepflanzen sinnvoll ist. Es ist schließlich viel unkomplizierter, direkt dorthin zu säen, wo die Pflanzen später wachsen sollen und sich die Arbeit des Umpflanzens zu ersparen. Das stimmt und doch gibt es gute Gründe, bestimmte Pflanzen vorzuziehen.

Säen wir direkt ins Beet, findet der ganze Lebenszyklus der Pflanze eben in diesem Beet statt. Sie keimt dort, wächst dort, bildet dort Früchte,… Das bringt verschiedene Probleme mit sich:

  • Temperatur: Viele unserer Gemüsepflanzen wie Paprika und Auberginen kommen ursprünglich aus deutlich wärmeren Gebieten. Sie können hier also erst ungeschützt im Freien wachsen, wenn eine Mindesttemperatur von über 10-15°C nicht unterschritten wird (auch nachts). Das ist bei uns meist ab Ende Mai/Anfang Juni der Fall. Die sog. Eisheiligen gelten hier als Orientierung.
  • Kulturdauer: Da die Pflanzen von der Aussaat bis zur Fruchtreife länger brauchen, als bei uns diese Mindesttemperaturen herrschen, müssen die Pflanzen also schon anfangen zu wachsen, bevor sie raus ins Beet können, damit wir vom dem Winter auch noch ernten können.
  • Keimtemperatur: Außerdem benötigen diese Pflanzen Temperaturen von über 20 °C zum Keimen. Eine Direktsaat wäre also (wenn überhaupt) erst im Sommer möglich und es gäbe bis zum Winter erst recht nichts zu ernten.
  • Schädlingsdruck: Gemüse wie Kürbis und Zucchini kann man eigentlich sehr gut direkt säen. Manche Gärtner schwören sogar darauf, dass direkt gesäte Zucchini viel kräftiger und robuster wachsen.
    Dennoch kann es eine gute Idee sein, sie vorzuziehen, um sie vor Schädlingen wie Schnecken zu schützen. Die ganz jungen Pflänzchen schmecken den Schnecken nämlich besonders gut und sind schneller weggefressen, als man schauen kann. Die vorgezogenen größeren Pflanzen sind da deutlich widerstandsfähiger. Bei solchen Pflanzen schafft man also entweder einen guten Schneckenschutz oder muss tatsächlich vorziehen.
  • kontinuierliche Ernte: Auch wenn du das ganze Jahr etwas ernten willst und dafür mehrere Gemüse nacheinander anbauen willst, kann die Anzucht hilfreich sein. So kannst du direkt ins abgeerntete Beet die vorgezogenen Jungpflanzen setzen und es ergeben sich deutlich kürzere Zeiten, in denen nicht geerntet werden kann.

Welches Gemüse vorziehen?

Gemüse vorzuziehen KANN also sehr sinnvoll sein. Das gilt aber nicht für jedes Gemüse.

Hier eine Faustregel, welche Gemüse du vorziehen solltest und welche nicht:

vorziehenggf. vorziehennicht vorziehen
Wärmebedürftige Pflanzen, die erst ab Ende Mai ins Beet gesetzt werden können, hohe Keimtemperaturen benötigen und langsam wachsen.
z.B. Tomaten, Paprika, Chili, Auberginen, Basilikum
Gemüse, die besonders gerne von Schnecken gefressen werden.
z.B.: Salat, Zucchini, Kürbis, Gurken
Wurzelgemüse
z.B. Karotten, Pastinaken, Radieschen
Gemüse, die du früher ernten willst, als es möglich wäre, wenn du sie direkt ins Beet säst oder die an vorher belegte Beetplätze gepflanzt werden sollen.
z.B. Wintergemüse wie Grünkohl, Rosenkohl, Wintersalate aber auch viele andere mehr
Gemüse, die sich unkompliziert direkt säen lassen.
z.B. Feldsalat, Asiasalat, Spinat, Bohnen, Mangold, Rote Bete

So funktioniert die Anzucht

Um zu verstehen, wann es sinnvoll ist, mit der Anzucht zu beginnen, schauen wir uns zuerst an, was bei der Anzucht eigentlich abläuft.

Die Anzucht lässt sich vereinfacht in zwei Stadien einteilen: die Keimung des Samens und das Wachstum der Pflanze.

  • die Keimung:
    Je nach Art der Pflanze benötigen die Samen unterschiedliche Voraussetzungen, um zu keimen:
    • Es muss warm sein (die meisten Gemüse) oder der Samen benötigt zuerst einen Kältereiz (sog. Kaltkeimer, z.B. Salate).
    • Es muss dunkel sein (sog. Dunkelkeimer) oder (diffuses) Licht ist nötig (sog. Lichtkeimer) zur Keimung.
    • Feuchtigkeit ist in jedem Fall nötig.
  • das Wachstum:
    Zum Wachsen benötigen die Pflanzen in allererster Linie viel Licht. Fehlt das Licht wachsen die Stiele der Pflanzen schnell (lang und dünn), um näher zum Licht zu kommen. Wärme erhöht diesen Wachstumsreiz.

Das bedeutet für die Anzucht: Lege die Samen entsprechend ihrer Bedürfnisse in oder auf die Erde, halte sie feucht und stelle sie warm (oder kalt).

Vermeide diesen Fehler bei der Jungpflanzenanzucht

Spätestens ab Februar wirst du auf Social Media mit Bildern von kleinen Gemüsepflänzchen überschwemmt, die im Januar schon gesät wurden.
Leider sind diese häufig lang und dünn (s.o.), weil sie zu wenig Licht bekommen. Eine Aussaat im Januar auf der Fensterbank ist für die meisten Pflanzen nämlich einfach zu früh.

Deshalb ist meine wichtigste Botschaft zur Pflanzenanzucht „Lass dich nicht stressen„.

Das Problem mit der Anzucht auf der Fensterbank im Winter ist das Licht. Im Haus ist es relativ dunkel – vor allem im Vergleich zum Sommer draußen. Außerdem sind unsere Wohnungen im Winter meistens ziemlich warm (und ja, auch die 20°C zum Heizkostensparen sind warm für unsere Pflanzen).

Für die Keimung sind wenig Licht und Wärme kein Problem bzw. sogar förderlich (s.o.). Wenn die Pflänzchen aber gekeimt sind, tut diese Situation deinen Pflanzen gar nicht mehr gut.

Es passiert folgendes:
Bei Wärme wollen deine Pflanzen wachsen, wie sie es im Sommer schließlich auch tun sollen. Auf der Suche nach ausreichend Licht wachsen sie besonders lang und dünn, wie sie es tun würden, um aus der Erde zu wachsen. Diesen Effekt nennt man „vergeilen„.
Das Problem an den langen dünnen Pflänzchen ist, dass sie leicht abknicken und ganz offensichtlich nicht zu robusten Pflanzen heranwachsen können. Was wir wollen, ist ein langsamer, kompakter Wuchs.

Der größte Fehler bei der Anzucht ist es also, zu früh zu beginnen und dann deine Pflanzen zu dunkel und zu warm zu stellen.

So ziehst du gesunde Pflanzen vor

Wann solltest du denn jetzt welches Gemüse vorziehen und was kannst du tun, um das Vergeilen deiner Anzucht zu verhindern?

  • Tipp 1: Fange nicht zu früh an!
    Der wohl wichtigste Tipp ist es, so spät wie möglich und nur so früh wie nötig mit der Anzucht zu beginnen. Jeder Tag Richtung Frühling bedeutet etwas mehr Licht für deine Pflänzchen und somit eine bessere Chance auf kräftigere Pflanzen. Um zu bestimmen, wann „so früh wie nötig“ ist, kannst du dich in deinem ersten Gartenjahr nach den Angaben auf der Saatguttüte oder Tipps von erfahrenen Gärtnern richten.
    Je langsamer die Pflanze wächst, um so früher solltest du sie säen. Deshalb sind Chili und Paprika meist die ersten Kandidaten für die Anzucht und Zucchini und Kürbis die letzten. Vor Ende Januar solltest du aber mit keinem Gemüse starten.
    Weil das Kleinklima in jedem Garten unterschiedlich ist, ist es außerdem hilfreich, zu beobachten und in einem Gartentagebuch aufzuschreiben, wie lange deine Samen zur Keimung brauchen und wann die Früchte ausreifen. So kannst du im nächsten Jahr ggf. den Anzuchtzeitpunkt ein bisschen anpassen.
  • Tipp 2: Nach der Keimung kühler stellen.
    Stelle die Pflanzen nach der Keimung so hell wie möglich, z.B. direkt ans (Süd-) Fenster und vor allem kühl. Ca. 16-20°C sind für die meisten Pflanzen gut geeignet. So wachsen sie langsamer und robuster heran.
    Wenn du merkst, dass die Pflanze doch vergeilt und du keinen helleren Platz hast, stelle sie etwas kühler.
  • Tipp 3: Anzucht draußen.
    Gemüse, das du vom Zeitpunkt her direkt säen könntest, das du aber noch vor den Schnecken schützen willst oder das noch keinen Platz im Beet hat, kannst du draußen vorziehen. Hier ist es heller und kühler als auf der Fensterbank, was deinen Pflanzen zu Gute kommt.
    Du kannst hierfür Töpfe, ein Frühbeet oder ein kleines Hochbeet nutzen. Mit einem schützenden Vlies, einem Frühbeetaufsatz und/oder auf Balkon oder Terrasse gibst du den Pflanzen sogar noch einen zusätzlichen Wachstumsvorsprung durch den geschützten Standort.

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